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Die Herdenschutzhündin

  • Autorenbild: Matthias prieth
    Matthias prieth
  • 31. Jan.
  • 6 Min. Lesezeit

Unentbehrliche Wächterinnen der Herde




Gender-Hinweis

 

Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Femininum verwendet. Die in dieser Artikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.


Einführung

Die Herdenschutzhündin ist in vielen Teilen Europas existenziell wichtig für den Schutz von Weidetieren vor Raubtieren. Allerdings bringt sie auch Herausforderungen mit sich, da sie im Gegensatz zu einem Elektrozaun Futter und Wasser benötigt und sich nicht so einfach am Ende der Weidesaison verstauen lässt.

Die Geschichte der Herdenschutzhündinnen reicht viele Jahrhunderte zurück. Schon in der Antike wurden Hündinnen zur Bewachung vor Großraubwildtieren und Viehdiebinnen verwendet. Besonders bekannt sind die Hirtinnenhunde aus Regionen des Mittelmeerraums, des Kaukasus und Zentralasiens. Diese Hündinnen wurden in der Zucht über Jahrhunderte auf große Robustheit und Wehrfähigkeit selektiert.



Rassen von Herdenschutzhündinnen

Es gibt zahlreiche Rassen und Schläge von Herdenschutzhündinnen, die jeweils ihre eigenen besonderen Eigenschaften besitzen. Einige der bekanntesten sind:

  • Pyrenäenberghündin: Diese Rasse stammt aus den Pyrenäen und ist bekannt für ihr ruhiges und freundliches Wesen. Pyrenäenberghündinnen sind groß und haben wetterfestes, dichtes Fell.


Ein Pyrenäenberghündin            						Foto von Bruce Williamson auf Unsplash
Ein Pyrenäenberghündin Foto von Bruce Williamson auf Unsplash


  • Kangalhündin: Die Kangalhündin stammt aus der Türkei und zeichnet sich durch besondere physische Stärke und durch Furchtlosigkeit aus. Sie zeigt stark territoriales Verhalten und schützt ihre Herde vehement vor allen Eindringlingen.


Kangal Welpen										Foto von Rahma Balci auf Unsplash
Kangal Welpen Foto von Rahma Balci auf Unsplash

  • Kuvaszhündin: Diese ungarische Rasse ist elegant und flink. Sie sind loyale Begleiterinnen und ausgezeichnete Wächterinnen.



  • Maremmano-Abruzzese-Hündin: Diese italienischen Hündinnen sind kräftig, aber niemals schwerfällig.

    (siehe Erstes Bild)


  • Pastore-di-Sila-Hündin: Diese imposante Rasse ist bekannt für ihre Gelassenheit und die starke Bindung an die Herde.


Pastore di Sila 									Quelle https://www.pastoredellasila.it/
Pastore di Sila Quelle https://www.pastoredellasila.it/

Die Liste der verschiedenen Rassen könnte wahrscheinlich endlos sein, aber ich vermute, mit diesen fünf sind die meistgenutzten aufgezählt. Natürlich bräuchte jede Rasse noch einmal ihren eigenen Artikel, denn so wie bei den Hütinnenhunden hat auch hier jede Hündin ihre Vor- und Nachteile.

 

Aufgaben und Training

Die Hauptaufgabe einer Herdenschutzhündin besteht darin, die Herde vor Raubtieren wie Wölfinnen, Bärinnen und anderen Bedrohungen zu schützen. Die Ausbildung zum Schutz der Herde vor Großraubwild ist nicht schwierig, da die Junghündin bei der Herde aufwächst und somit instinktiv ihre Herde schützt. Komplizierter ist jedoch zu verhindern, dass die Hündin die Herde ebenfalls vor Menschen „schützt“, was in den Genen der Herdenschutzhündinnen liegt, da sie in der Vergangenheit die Herde auch vor Viehdiebinnen schützen mussten.

Diese Herausforderung lässt sich nur schwer durch Training lösen und erfordert stattdessen eine langfristige Lösung durch Selektion. Das bedeutet, dass nur Hündinnen zur Weiterzucht ausgewählt werden, die gegenüber Menschen keine Aggressivität zeigen. Der Junghündin muss zudem gezeigt werden, dass von Menschen keine Gefahr mehr ausgeht. Dies geschieht durch Sozialisierung. Die Hündin muss an den Umgang mit Menschen gewöhnt werden.

Im optimalen Fall befindet sich die Weide an einem Ort, an dem viele Menschen vorbeigehen. Andernfalls muss die Hündin in Situationen gebracht werden, in denen sie Menschen begegnet.

Hierbei ist eine sorgfältige Einschätzung der Hundeführerinnen erforderlich, um sicherzustellen, dass die Hündin nicht zu sehr „verhätschelt“ wird und weiterhin ihrer Arbeit nachgeht. Eine übermäßig verwöhnte Hündin könnte sich nachts von der Herde entfernen und zur Unterkunft der Hirtinnen laufen, da sie deren Nähe sucht. Es gilt daher, den richtigen Mittelweg zu finden.

Das Training einer Herdenschutzhündin umfasst hauptsächlich das Abrufen, um die Hündin gegebenenfalls zurückrufen oder verladen zu können. Darüber hinaus handelt es sich weniger um spezifisches Training als vielmehr um das Geschick der richtigen Sozialisierung.


Schutzverhalten

Herdenschutzhündinnen entwickeln ein starkes Schutzverhalten. Sie patrouillieren um die Herde und beobachten aufmerksam ihre Umgebung. Bei Wahrnehmung einer Gefahr reagieren sie schnell und entschlossen, um die Bedrohung abzuwehren. Dabei setzen sie oft auf ihre imposante Erscheinung und ihr tiefes Bellen, um Angreiferinnen zu vertreiben. Sollte die Angreiferin aber nicht von ihrem Auftreten erschrocken sein und die Flucht ergreifen, gehen sie zum Angriff über.

Um einer Herde Schutz zu gewähren, braucht man mindestens zwei Hündinnen, weil sie kooperativ arbeiten. Dazu kommt, dass die Wölfin eine sehr schlaue Angreiferin ist. Greift ein Wolfsrudel an, kann eine Wölfin die Hündin ablenken, während die anderen die Herde angreifen.

Die Anzahl der benötigten Herdenschutzhündinnen wird nicht nur anhand der Größe der Herde berechnet, sondern auch an der Anzahl von Großraubwild in der Umgebung.

Bedeutet: Bleibt die Herdengröße gleich, nimmt aber der Druck durch Großraubwild zu, muss die Anzahl der Herdenschutzhündinnen erhöht werden.

 

Wie verhalte ich mich, wenn ich einer Herde mit Herdenschutzhündin begegne?


In den meisten Fällen befinden sich vor Beginn der Weide solche oder ähnliche Schilder. Unter diesem Link finden Sie weitere Informationen:🔗 Quelle der Grafik: https://chwolf.org/woelfe-in-der-schweiz/herdenschutz/verhaltensregeln-hsh
In den meisten Fällen befinden sich vor Beginn der Weide solche oder ähnliche Schilder. Unter diesem Link finden Sie weitere Informationen:🔗 Quelle der Grafik: https://chwolf.org/woelfe-in-der-schweiz/herdenschutz/verhaltensregeln-hsh

Wie bereits erwähnt, muss uns bewusst sein, dass eine Herdenschutzhündin bereit ist, mit vollem Einsatz die Herde zu verteidigen. Daher appelliere ich an alle, eine Begegnung mit Herdenschutzhündinnen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da es im schlimmsten Fall zu Verletzungen kommen kann.

Es ist ebenfalls wichtig zu wissen, dass eine Herdenschutzhündin keinen Beschützerinnen-Trieb hat wie eine Hütehündin ihren Hütetrieb. Für die Hütehündin gibt es nichts Schöneres, als die Herde zu bewegen, während die Herdenschutzhündin es bevorzugt, ruhig und gemütlich zu leben. Sie schätzt die Ruhe und kann aggressiv reagieren, wenn diese gestört wird.

Das erste und wichtigste Gebot ist, bei einer Begegnung Ruhe zu bewahren. Die Hündin wird Sie anfänglich darauf aufmerksam machen, dass Sie in ihr Territorium eingedrungen sind und ihre Ruhe stören.

Akzeptieren Sie die Warnung der Hündin! Kehren Sie um und suchen Sie nach einer Alternativroute, weitläufig an der Herde vorbei, oder verzichten Sie auf Ihr Tagesziel.

Im besten Fall wird die Herde durch Hirtinnen begleitet, die Sie durch die Herde führen können.

Es sei nochmals betont, dass die Herdenschutzhündin keine aggressive Bestie ist, die nur darauf wartet, anzugreifen. Vielmehr genießt sie ihr Leben und möchte dabei nicht gestört werden.

Sollten Sie eine Hündin dabei haben, ändert dies die Situation. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Hündin rechtzeitig anleinen, sobald Sie Weidevieh sehen. Dies ist der erste Schritt. Sollten Sie erkennen, dass die Herde durch Herdenschutzhündinnen begleitet wird – kehren Sie um! Eine freilaufende Hündin wird sicher als Eindringling betrachtet und bekämpft, sollte sie sich auf die Herde zubewegen.

Falls Sie mit dem Fahrrad unterwegs sind, bedenken Sie, dass Sie nicht schneller als die Hündin sind. Steigen Sie ab, sobald Sie die Herde erreichen, und schätzen Sie die Lage wie beschrieben ein.

Sollte die Hündin keine Warnung von sich geben, ist es trotzdem zu empfehlen, nicht durch die Herde zu gehen, sondern eine weiträumige Runde um die Herde zu machen.


Wichtiger Appell

Was mir hier noch wichtig ist: Bitte seien Sie nicht böse auf diejenige, die Herdenschutzhündinnen einsetzt. Landwirtschaftliche Produktion ist unser aller Lebensgrundlage, und insbesondere die Weidehaltung gehört zu unserem Bild von artgerechter Tierhaltung. Sie prägt und erhält vielfältige Kulturlandschaften, die uns längst als die letzten „natürlichen“ Erholungsräume erscheinen.

Um Weidehaltung auch in Zukunft betreiben zu können, ist Verständnis für Herdenschutz und insbesondere für Herdenschutzhündinnen Voraussetzung.

 


Hof Alm in Terenten, wo Herdenschutz beim Rind durchgeführt wird.
Hof Alm in Terenten, wo Herdenschutz beim Rind durchgeführt wird.

Ohne Hirtin keine Herdenschutzhündin


Es ist wichtig zu betonen, dass der Einsatz von Herdenschutzhündinnen nur dann effektiv möglich ist, wenn auch Hirtinnen anwesend sind.

Ohne Hirtinnen kommen die Herden in einen freien Weidegang. Im freien Weidegang steht den Tieren eine große Fläche zur Verfügung, die meistens für die gesamte Weidesaison ausreicht (auf den Alpen können das Flächen von mehreren Hundert Hektar sein). Auf diesen Flächen können sich die Tiere frei bewegen, die Herde verteilt sich, und es entstehen mehrere Gruppen. Dies hat zur Folge, dass die Hündin nicht mehr die ganze Herde bewachen kann und der Schutz nicht mehr für alle Tiere gewährleistet ist.

Sobald eine Hirtin anwesend ist, befinden sich die Tiere in einem geführten Weidegang. Das bedeutet, dass die Tiere in einer homogenen Gruppe ständig von der Hirtin begleitet zu den Futterflächen geführt werden und am Abend in den Nachtpferch.

In einer solchen Haltung kann die Herdenschutzhündin optimal arbeiten, da sie immer eine geschlossene Gruppe zu bewachen hat. Hinzu kommt, dass die Hirtin durch ihre Anwesenheit die Wölfin auf Distanz hält und somit die Hündin bei ihrer Arbeit unterstützt.


Vorteile des Einsatzes von Herdenschutzhündinnen


Es wird zunehmend beobachtet, dass Wölfinnen technische Hilfsmittel überwinden. Man sieht häufiger Wölfinnen, die über Zäune springen. Die Wölfin lernt schnell, und es muss ihr etwas gegenübergestellt werden, das ebenso schnell lernt. Das ist für mich bis heute nur die Herdenschutzhündin.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Herdenschutzhündin 365 Tage im Jahr, Tag und Nacht die Herde schützt.


Nachteile des Einsatzes von Herdenschutzhündinnen


Ein großer Nachteil ist die Saisonalität der Arbeit. Wohin mit den Hündinnen zwischen der Saison? Nicht alle Herden sind das ganze Jahr auf der Weide und benötigen ständig Herdenschutz gegen Raubtiere. Für solche Herden bedeuten Schutzhündinnen

überflüssige Kosten und zusätzlichen Arbeitsaufwand.

Sobald die Hündin im Stall ist, werden ihre Dienste eigentlich nicht mehr benötigt, und sie sorgt somit nur für Mehrkosten.

Für alle, die sich gezwungen fühlen, eine Herdenschutzhündin einzusetzen oder sie als eine schnelle Lösung sehen, ist von einer Herdenschutzhündin dringend abzuraten. Eine Herdenschutzhündin in falschen Händen wird schnell zur Gefahr.

Sie will geliebt werden und in einem sicheren Umfeld arbeiten. Kurzum: Sie ist ein Lebewesen und benötigt somit die Garantie eines glücklichen Lebens.

Auch die Anschaffungs-, Futter- und Erhaltungskosten müssen in die Hofbilanz mit einkalkuliert werden.



Fazit


Die Herdenschutzhündin ist ein hervorragend geeignetes Tier, um Hirtinnen beim Schutz vor Großraubwild zu unterstützen.

Für eine effektive Schutzfunktion ist es unerlässlich, umfangreiche Kenntnisse über Herdenschutzhündinnen zu besitzen sowie die Bereitschaft, sich Zeit für deren Versorgung und Ausbildung zu nehmen.

In unserer dicht besiedelten Welt erfordert ein gut funktionierender Herdenschutz die Kooperation aller Beteiligten sowohl das Engagement der Hirtinnen als auch die Rücksichtnahme der Anrainerinnen.


 

Autor: Matthias Prieth


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